Expert:innen gehen davon aus, dass in jedem Unternehmen ca. 10 % der Beschäftigten Alkoholprobleme haben und suchtgefährdet oder abhängig sind.
Suchtrisiken und Abhängigkeitserkrankungen der Beschäftigten sind dauerhafte Herausforderungen für Unternehmen und Führungskräfte. Ist ein Teammitglied betroffen, müssen Unternehmen und Führungskräfte handeln.
Der Handlungsbedarf ergibt sich nicht nur aufgrund rechtlicher Vorgaben, sondern auch aus dem modernen Gesundheitsmanagement. Von Führungskräften wird erwartet, in solchen Fällen frühzeitig und empathisch zu handeln, Grenzen zu setzen, dabei die anderen Teammitglieder und die Faktura im Blick zu behalten.
Wie reagieren Führungskräfte korrekt?
Wenn Mitarbeitende erkennbar unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmitteln stehen, muss die Führungskraft dafür sorgen, dass die Person den Arbeitsplatz sofort verlässt und einen sicheren Heimtransport organisieren kann (Unfallverhütungsvorschrift). Laut Arbeitsgericht gilt hier der “Beweis des ersten Eindrucks“, d. h. die Führungskraft muss keine weiteren Beweise liefern. Eine Alkoholkontrolle darf nicht angeordnet werden, allerdings darf die betroffene Person von sich aus eine Kontrolle als Gegenbeweis anbieten.
Um ihrer Fürsorgepflicht gerecht zu werden, sollte die Führungskraft in den ersten Tagen nach solchen Auffälligkeiten ein Gespräch mit der Person führen. Handelt es sich um den ersten Vorfall dieser Art, kann von disziplinarischen Maßnahmen abgesehen werden. Die Person wird mit der wahrgenommenen Auffälligkeit konfrontiert – natürlich respektvoll –, und bekommt die Gelegenheit sich dazu zu äußern. Behauptungen oder Verdächtigungen bezüglich einer Sucht sind nicht empfehlenswert, sondern lediglich der Hinweis auf die Pflicht, nüchtern zur Arbeit zu kommen und während der Arbeit keinen Alkohol bzw. andere Rauschmittel zu konsumieren.
Zur Unterstützung bei möglichem Beratungs- oder Behandlungsbedarf sollte auf betriebsinterne oder externe professionelle Hilfsangebote verwiesen werden.
Steht die beschäftigte Person aber wiederholt unter Alkoholeinfluss oder einem anderen Rauschmittel, ist ein forciertes Vorgehen nach einem Stufenplan angebracht. Die betroffene Person wird in einem geschützten Rahmen auf die mehrfache Auffälligkeit angesprochen. Dabei kann sie verbindlich die Auflage erhalten, sich professionelle Hilfe zu holen und dies schriftlich bestätigen zu lassen, da ansonsten mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gerechnet muss.
Wenn die Führungskraft die betroffene Person bei der Bewältigung der Krise begleitet und unterstützt (z. B. durch regelmäßige Gespräche, Förderung der Arbeitsfähigkeit), ist die Chance hoch, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder auch wieder aufzubauen. Und sehen andere Beschäftigte die Unterstützung, wächst das Vertrauen in die Führungskraft und somit auch in das Unternehmen.
Sollte die betroffene Person keine Hilfe annehmen oder es zu weiteren Vorfällen kommen, erfolgt in der Regel nach dem dritten Vorfall die erste schriftliche Abmahnung. Wird das Hilfsangebot weiterhin abgelehnt und gibt es weitere Verstöße gegen die Auflage, nüchtern am Arbeitsplatz zu erscheinen, so können Unternehmen mit einer verhaltensbedingten Kündigung reagieren.
Das Vorgehen sollte in einer entsprechenden Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung verbindlich vorgegeben werden. Wesentlicher Bestandteil dieser Vereinbarung ist ein Interventionsleitfaden mit einem Stufenkonzept, das von der ersten alkoholbedingten Auffälligkeit bis zur Feststellung einer Suchtkrankheit Empfehlungen und Auflagen sowie arbeitsrechtliche Konsequenzen beinhaltet.
Wie können Führungskräfte auf ihre Aufgabe vorbereitet werden?
Gerade die Konfrontation mit alkoholbedingten Auffälligkeiten von Beschäftigten ist für viele Führungskräfte in ihrer persönlichen Vorgehensweise eine Herausforderung, da sie eine Belastung der Arbeitsbeziehung befürchten. Um dieses Interventionskonzept wirksam umzusetzen, sollten Führungskräfte bzw. innerbetriebliche Ansprechpartner:innen in Workshops oder auch Coachings vorbereitet werden.