Nicht nur die Arbeitswelt ist im Wandel, sondern auch die Rolle der Gesundheit von Beschäftigten.
Um in der heutigen Arbeitswelt angemessen funktionieren und eine entsprechende Leistung erbringen zu können, ist unsere Gesundheit der wichtigste Faktor. Besonders die Bedeutung der psychischen Gesundheit hat in den letzten zwei Jahrzehnten stark zugenommen. So sind psychische sowie Verhaltensstörungen mittlerweile eine der drei häufigsten Diagnosegruppen bei Berufskrankheiten in Deutschland. Heute weiß man, dass psychische Krankheiten auch am Arbeitsplatz entstehen. Doch wann werden berufliche Anforderungen zu einem Risiko für unsere Gesundheit?
Allgemein lässt sich hierauf antworten: Für die Gesundheit müssen berufliche Anforderungen im Gleichgewicht mit beruflichen Ressourcen sein. Wenn Beschäftigte über einen längeren Zeitraum beruflichen Anforderungen ausgesetzt sind, ohne auf Ressourcen und Erholungsmöglichkeiten zurückgreifen zu können, werden die Anforderungen zu arbeitsbedingten Stressoren, die eine potenzielle Gesundheitsgefahr darstellen. Arbeitsanforderungen wie Arbeitsdruck, Arbeitsintensität, Arbeitsunterbrechungen oder auch Rollenkonflikte können somit zu Risiken für die psychische Gesundheit werden. Die anhaltende Anstrengung kostet die Beschäftigten dann mehr Kraft, als sie haben. Ein erhöhtes Maß an Stress, Burnout oder Depressionen können die Folge sein.
Arbeitsbezogene Ressourcen hingegen ermöglichen Mitarbeitenden, mit Stressauslösern umzugehen und somit die Arbeitssituation sowie die Gesundheit positiv zu beeinflussen. Ressourcen sind physische, psychologische, soziale oder organisatorische Faktoren der Arbeit, die Beschäftigten dabei helfen, Arbeitsziele effizient zu erreichen, das persönliche Wachstum sowie die Entwicklung zu fördern und die Arbeitsanforderungen und die damit verbundenen Kosten zu reduzieren. Beispiele für arbeitsbezogene Ressourcen sind Autonomie bzw. Einflussmöglichkeiten auf Aufgaben und Zeiteinteilungen, Entwicklungsmöglichkeiten oder soziale Unterstützung durch Kollegen und Kolleginnen oder Vorgesetzte.
Das Ziel bei der Gestaltung der Arbeit sowie des Arbeitsumfelds sollte es also sein, die arbeitsbedingten Stressoren zu minimieren und die arbeitsbedingten Ressourcen zu maximieren.
Um die Gesundheit der eigenen Beschäftigten zu gewährleisten und hiermit verbundene wirksame stressreduzierende Maßnahmen zu entwickeln, müssen die individuellen Arbeitsanforderungen und -ressourcen detailliert ermittelt werden.
Dies erfolgt über die sogenannte psychische Gefährdungsbeurteilung.
Durch § 5 des Arbeitsschutzgesetzes sind Arbeitgeber:innen dazu verpflichtet, auf Basis einer Beurteilung aller Einflüsse, die auf Arbeitsplätze einwirken, Maßnahmen im Sinne des Arbeitsschutzes zu ermitteln. Unternehmen sind für die Planung und Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung verantwortlich, dürfen die Durchführung jedoch durch fachkundiges externes Personal beauftragen (§ 13 Abs. 2 ArbSchG). Seit Ende 2013 fordert das Arbeitsschutzgesetz explizit die Berücksichtigung der psychischen Belastung.
Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen blickt auf das gesamte Unternehmen und untersucht die Merkmalsbereiche Arbeitsinhalt, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung sowie neue Arbeitsformen. Diese Merkmalsbereiche schließen die bereits oben genannten Beispiele für Anforderungen und Ressourcen mit ein. Abhängig von der Ausprägung können diese Bedingungen sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss auf die psychische Gesundheit haben. So wurde z. B. herausgefunden, dass Mitarbeitende gut mit hohen Anforderungen wie einer hohen Arbeitsintensität umgehen können, wenn sie zugleich einen großen Handlungsspielraum bzw. Einflussmöglichkeiten z. B. auf den Arbeitsinhalt, das Arbeitspensum, die Arbeitsmethoden oder die Reihenfolge der Tätigkeiten haben. Genauso weiß man heutzutage, dass der soziale Zusammenhalt unter Beschäftigten gefördert werden muss, da dies unterstützend und entlastend wirkt.
Das Ziel ist es also, sowohl Anforderungen, die zu Stressauslösern werden können, als auch mögliche Ressourcen zu erkennen, zu definieren, zu bewerten und zu gewichten. Wichtig ist hierbei, dass der Fokus der Gefährdungsbeurteilung lediglich auf arbeitsbezogene Belastungen gerichtet ist. Es geht nicht um die Beurteilung der psychischen Verfassung oder Gesundheit der Beschäftigten.
Die Analyse kann dabei unterschiedlich erfolgen. Sinnvoll ist eine anonyme, wissenschaftlich fundierte Beschäftigtenumfrage, aber auch die Arbeitsplatzbegehung oder auch Workshops können zu einem Gesamtbild der vorhandenen Gefahren verhelfen und ermöglichen die Findung der richtigen Maßnahmen.
Wird die psychische Gefährdungsbeurteilung korrekt umgesetzt und passende Maßnahmen entwickelt, steigen Gesundheit, Motivation, Leistungsfähigkeit sowie die Zufriedenheit der Beschäftigten, und Fehlzeiten und Krankheitstage können nachhaltig minimiert werden.
Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen dient somit der Prävention von Unfällen sowie arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und ist ein zentrales Instrument zur Steuerung der betrieblichen Arbeitsschutzaktivitäten. Unternehmen leisten hiermit auf eine wirkungsvolle Art einen wichtigen Beitrag zur gesunden Gestaltung von Arbeit, indem sie die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in ihrem Unternehmen durchführen.
Autorin: Marla Kleinrosenbleck, Psychologin, M.Sc.