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Resilienz in der Arbeitswelt – vorübergehender Trend oder unverzichtbar?

„Leben ist das, was passiert, während du andere Pläne machst.“ soll John Lennon einmal gesagt haben. Was er damit gemeint haben könnte? Vermutlich, dass es grundsätzlich erstrebenswert ist, persönliche Wünsche und Ziele zu verfolgen – und es darüber hinaus hilfreich ist, sich darauf einzustellen, dass etwas dazwischen kommt. Darum geht es im Grunde bei Resilienz – die Fähigkeit, sich auf Belastungen, Veränderungen oder Krisen, die das Leben bereithält, einzustellen und, wenn sie eintreten, möglichst einen kompetenten Umgang mit ihnen zu finden, um dennoch dauerhaft psychisch gesund zu bleiben.

Resilienz - warum gerade jetzt?

„Beständiger Wandel“ scheint der Zustand unserer (Arbeits-)welt zu sein. Immer neue Technologien, und zunehmender Zeit- und Kostendruck sind nur einige Herausforderungen mit denen sich Beschäftigte und Unternehmen auseinandersetzen müssen. Wenn man am (Arbeits-)Markt bestehen will, bedeutet dies individuell und institutionell kontinuierlich vorauszuschauen, sich anzupassen und weiterzuentwickeln. Das kann zur Dauerbe- und schlimmstenfalls Überlastung Einzelner, aber auch ganzer Teams, Abteilungen und Organisationen führen. Resilient handeln und sein, „widrige Umstände und Krisen meistern“, ist daher als „Zukunfts-Kompetenz“ unabdingbar.

Resilienz in der Arbeitswelt – wer und was trägt dazu bei?

Bezogen auf die Arbeitswelt geht es um nichts weniger, als individuelle und auch institutionelle Kapazitäten so zu entwickeln und zu fördern, dass jede einzelne Person steigenden Anforderungen und Anpassungsdruck gut begegnen kann und dabei körperlich und mental gesund bleibt. Dies gelingt optimal, wenn die Förderung der Resilienz der Beschäftigten als gemeinsame Aufgabe betrachtet wird – also in der geteilten Verantwortung von Unternehmen, Führungskräften und Beschäftigten liegt.

Individuelle Schutzfaktoren - was kann man tun?

In der wissenschaftlichen und auch Populär-Literatur werden v.a. Faktoren wie

  • Optimismus/positives Denken,
  • Problemlösefähigkeit/Coping („Bewältigungsstrategien“),
  • Selbstwahrnehmung/ -regulation,
  • Selbstwirksamkeit/ -wertschätzung,
  • Empathie/Verbundenheit/Soziale Unterstützung,
  • Sinnhaftigkeit/Kohärenz („Stimmigkeit“).

als wesentliche Komponenten genannt (vgl. z.B. Engelmann, 2019; Nuber 2016, BZgA Band 43, 2012). Im Kontext der Arbeit können daher (vom Arbeitgeber angebotene bzw. geförderte) Trainingsmaßnahmen, die auf die individuelle Sensibilisierung und Stärkung solcher Schutzfaktoren abzielen, ein Baustein sein.

Gleichzeitig liegt es nahe, dass die Sicherstellung einer „Resilienz-fördernden“ Arbeitsumgebung ebenso bedeutsam für krisenbeständiges Personal ist; also das „Arbeitsklima“ ein wesentlicher und stabilisierender Faktor ist.

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Wo kann institutionell geförderte Resilienz ansetzen?

Bezogen auf die o.g. Schutzfaktoren spielt von Unternehmensseite dann insb. die Möglichkeit und Förderung von erlebter Selbstwirksamkeit, Kohärenz und sozialer Unterstützung eine zentrale Rolle. Die (gelebte) Unternehmenskultur sollte entsprechend sicherstellen, dass z.B.

  • (gerade bei Veränderungsprozessen) aktiv und transparent kommuniziert wird um das Sicherheitsgefühl, das Verstehen und die Motivation zu stärken,
  • durch Beteiligung, Lernen und Entwicklungsmöglichkeiten Perspektiven geschaffen und Mit-Verantwortung gestärkt werden,
  • Wertschätzung, Feedback- und Fehlerkultur die Interaktionen und Kommunikation bestimmen,
  • Führungskräftestil und -entwicklung so gestaltet sind, dass gesundheitsförderliche Werte und Handlungsweisen (Vertrauen, Anerkennung, Fairness, Kooperation etc.) über alle Ebenen hinweg gestärkt und gezeigt werden können.

Wie können Führungskräfte gezielt Resilienz fördern?

Aus dem oben genannten ergeben sich konkrete gesundheitsförderliche Handlungsweisen auf Führungsebene. Im Zusammenspiel mit den Beschäftigten kann die Führungskraft unterstützen, indem sie regelmäßig Feedbackangebote gegenüber den Teammitgliedern macht und eine kontinuierliche Kommunikation mit Einzeln und dem Team als Ganzes pflegt und dadurch z.B. etwaigen strukturellen Klärungs- und/oder Veränderungsbedarf „nach oben“ kommuniziert.

Hilfreiche Fragen für das finetuning der Arbeitsgestaltung können sein:

  • Sind die Arbeitsinhalte und -abläufe für alle Teammitglieder klar und verstehbar? Ist die Aufgabenverteilung adäquat und fair; die Arbeitsmenge leistbar?
  • Gibt es Handlungsspielräume und können die Beschäftigten – innerhalb klarer Leitplanken – autonome Entscheidungen treffen?
  • Wie steht es um die Möglichkeit und Förderung des sozialen Austauschs gemäß den Bedürfnissen der Teammitglieder und der Aufgaben?
  • Ist ein übergeordneter Sinn für alle Teammitglieder in der gemeinsamen Arbeit erkennbar und wird dieser geteilt?

Auch das konkrete Führungsverhalten ist ein wichtiger Faktor für die Resilienz der Beschäftigten: indem sich die Führungskraft verlässlich (und gleichzeitig flexibel) zeigt, authentisch (und offen), wertschätzend (und ermutigend), vertrauensvoll (und auch bei Fehlern unterstützend) agiert. Auch Fragen nach: „Wie viel Kontrolle brauche ich, wie viel Freiraum und Selbstbestimmung gewähre ich?“, „Gestalte ich eine Kommunikation auf Augenhöhe?“, können für die Führungskraft selbst eine gute Reflexionsgrundlage und Anlass für Austausch darüber mit den Beschäftigten sein.

Und schließlich entscheidet der sorgsame Blick auf sich selbst mit über resilienzstärkende Führung: Die Selbstfürsorge einer Führungskraft ist auch „Maßstab“ für ihre Teammitglieder. Wer z.B. öfter am Wochenende oder aus dem Urlaub heraus E-Mails beantwortet, könnte bei den Teammitgliedern  unter Umständen eine vermutete Erwartung erzeugen, es der Führungskraft gleich tun zu müssen …

Wie weiter?

Es sollte deutlich geworden sein, dass die Ziele, Maßnahmen und grundlegenden Schutz-Faktoren für Resilienz auf den verschiedenen Ebenen eng miteinander verknüpft sind und kongruent sein sollten. Ein Unternehmensleitbild, das z.B. Transparenz, Wertschätzung und Augenhöhe in den Blick nimmt, sollte auch entsprechende Haltungen und Anreize an Führungskräfte vermitteln und in den Teams eine Arbeitsatmosphäre ermöglichen, die geprägt ist von Austausch, Kollegialität und Autonomie.

Resilienz – was ist gemeint?
Der aus der Materialkunde stammende Begriff wurde im psychologischen Sinne ab den 50er Jahren von amerikanischen Forschenden geprägt – aus der Beobachtung in Langzeitstudien heraus, dass es ca. einem Drittel der Erwachsenen gelang, ein erfolgreiches Leben zu führen, obwohl sie unter schwierigsten Lebensbedingungen aufwuchsen, während zwei Drittel mit teils erheblichen Einschränkungen und weniger erfolgreichen Lebensläufen aus vergleichbaren Lebensumständen hervorgegangen waren. Seither hat sich die Forschung zu Resilienz und wie sie gefördert werden kann stetig weiter entwickelt, dennoch gibt es bis heute kein ganz einheitliches Konzept; mal spricht man von Widerstandsfähigkeit oder Belastbarkeit (und damit der Idee, nach der Belastung in den „Ausgangszustand“ zurückzukehren), manchmal schließt man auch die Reifung und eine sog. „Neukonfiguration“ mit ein. Einig ist man sich darüber, dass Resilienz zwar auch genetisch beeinflusst ist (und damit entweder „da oder nicht-da“ ist), jedoch förderliche Aspekte von außen (insb. die frühe Erfahrung von sozialer Unterstützung!), v.a. auch selbst erlern- und entwickelbare Aspekte wie Haltungen, Einstellungen und Routinen wesentlich für die Resilienz-Ausprägung eines Menschen sind. Diese oft als „Resilienz- oder Schutzfaktoren“ bezeichneten Fähigkeiten unterscheiden sich im Detail wiederum je nach „Denk-Modell“. Außerdem wird der Begriff mittlerweile über die Betrachtung von Individuen hinaus, auch auf Gruppen, Institutionen, Gesellschaften und Ökosysteme übertragen. In diesem Text betrachten wir zwar die individuelle Resilienz von Beschäftigten, beziehen dabei aber die (wesentliche!) Rolle des Arbeitskontextes mit ein.
Autorin: Kristina Rasel, Dipl.-Psychologin, Systemische Beraterin und Therapeutin