Stress ist ein allgegenwärtiges Phänomen. Er betrifft viele Menschen im beruflichen oder privaten Alltag. Veränderungsprozesse einer dynamischen Arbeitswelt, hohes Arbeitsaufkommen, Konflikte im Team, aber auch eine frische Elternrolle oder eine Pflegesituation können Lebensumstände sein, die regelmäßig an den eigenen Kräften zehren und dadurch die berufliche Leistung direkt oder indirekt beeinflussen. Als Begriff ist Stress zwar vielen Menschen bekannt, doch die wenigsten kennen das tatsächliche Ausmaß gesundheitlicher Risiken und Folgen von einem anhaltenden Stressempfinden. Ebenso wissen die wenigsten, wo der subjektive Stress im Kern überhaupt herkommt. Daher gilt: Nur wer seinen Stress kennt, kann ihn auf gesunde Weise bewältigen.
Was ist überhaupt Stress?
Stress ist im Ursprung ein evolutionär angelegtes körperliches Alarmsignal, um in besonderen Gefahrensituationen das eigene Überleben zu sichern. In unserer heutigen Welt kann man diese Funktion vielleicht am ehesten im Straßenverkehr beobachten. Eine plötzliche Gefahrensituation erfordert eine ebenso plötzliche Reaktion, um einen Unfall zu vermeiden. Was in so einem Moment im Körper passiert, ist eine Kaskade an biochemischen Veränderungen, die uns zur Abwendung der Gefahr blitzschnell mehr Energie bereitstellt. So weit, so förderlich. Zu einem Gesundheitsrisiko wird Stress dann, wenn er chronisch wird. Zum Beispiel durch einen beruflichen Alltag, der zu einem anhaltenden Belastungsempfinden führt. Der Körper bleibt dann im Kampfmodus stecken. Es beginnt ein biochemischer Flächenbrand.
Subjektive Bewertungen und Stress
Damit chronischer Stress erst gar nicht entsteht, kann es hilfreich sein, dem eigenen Stress auf die Spur zu kommen. Sind es rein äußere Umstände, die mich stressen? Oder gibt es vielleicht auch Anteile in mir, die als Stressursache infrage kommen? Vermutlich kennen Sie folgendes Beispiel: Zwei Personen erscheinen auf der Arbeit. Beide bekommen unmittelbar mitgeteilt, dass die Führungskraft in 30 Minuten jeweils ein persönliches Gespräch führen möchte. Auf ein und dieselbe Situation reagieren beide Personen nun völlig unterschiedlich. Die eine freut sich auf die seltene Gelegenheit, um somit zentrale Arbeitsthemen beim Hauptadressaten platzieren zu können. Die andere kann sich den Anlass gar nicht erklären und fragt sich sorgenvoll, ob sie vielleicht etwas falsch gemacht haben könnte. Das Beispiel zeigt, dass Stress im Wesentlichen aus einer Bewertung resultiert. Verändert man die Bewertung, kann man damit schon Stress im Berufsalltag reduzieren.
Kleine Feuer löschen, bevor sie größer werden
Trotz der Reduktion eigener Stressanteile auf ein Minimum verbraucht der Berufsalltag dennoch Energie. Dabei ist unsere berufliche Leistungsfähigkeit eine begrenzte Ressource. Das heißt, der permanente Abruf von Energie, ohne welche aufzutanken, erhöht das Risiko für den Anstieg von biochemischen Feuerherden im Körper, die als innere Unruhe, Aggressivität, Vergesslichkeit, Schlafstörungen, hoher Blutdruck oder auch Panikattacken in Erscheinung treten können. Diese Feuerherde zu löschen, solange sie noch klein sind, ist der beste Schutz vor langfristigen gesundheitlichen Folgen durch anhaltenden beruflichen Stress. Ein Arbeitsalltag, der Erholungsphasen berücksichtigt sowie regelmäßige kleinere oder größere Wohlfühlmomente in der Freizeit können hierbei helfen. Allem voran eine innere Haltung, sich selbst das zu erlauben, was dem eigenen Wohlbefinden dient. Das Leben darf aus mehr bestehen als nur aus To-dos. Es erfordert allerdings eine bewusste Entscheidung dafür, neben diesen To-dos auch Raum zu lassen für ganz viele To-be-Momente.
Wer Energie abruft, darf Energie auftanken
Solche regelmäßigen To-be-Momente sind es, durch die Energie wieder aufgetankt werden kann. Die Forschungsgruppe um Alexandra Klijn, Maria Tims, Evgenia Lysova und Svetlana Khapova* spricht in diesem Zusammenhang von drei Energiebereichen, die, jeweils mit To-bes bestückt, das Gefühl verleihen können, im Alltag aus dem Vollen zu schöpfen.
Diese sind:
Geistige Energie
Betrifft die eigeninitiative Förderung von Handlungskompetenzen zu den zentralen Themen des persönlichen Alltags, insbesondere im beruflichen Kontext. Kurzum: wissen „Wie“ oder wissen „Was“.
Emotionale Energie
Betrifft die Schaffung von Lebensräumen im Alltag, in denen sowohl belastende, aber auch erfüllende Emotionen ausgelebt werden können, um berufliche Herausforderungen zu reflektieren, aber auch berufliche Erfolge zu feiern.
Körperliche Energie
Betrifft regelmäßige Aktivitäten, die zur aktiven oder passiven Regeneration auf körperlicher Ebene beitragen, z.B. Ernährung, Bewegung oder Sport, Schlaf, aber auch die Planung und Einhaltung von Ruhephasen im beruflichen Alltag.
Ganzheitliches Stressmanagement: ein fortlaufender Prozess
Letztendlich existiert beim Thema Stressmanagement keine Ziellinie. Auf eine nachhaltige Weise mit Stress umzugehen, erfordert ein Mindestmaß an regelmäßiger Selbstfürsorge im Arbeitsalltag. Wie viel dieses Mindestmaß ausmacht, entscheidet sich nach dem persönlichen Bedarf. Doch gilt auch, je geübter Sie in Ihrer Selbstfürsorge sind, umso zuverlässiger können Sie in beruflichen Krisenzeiten darauf zugreifen. Betrachten Sie Ihre mentale Gesundheit daher als eine zarte Pflanze: Je mehr sie gepflegt wird, umso stärker und stabiler wird sie wachsen und die Stürme des Arbeitsalltags widerstehen.